Oldenburgische Landesbank AG – Beschluss des LG Görlitz

Landgericht Görlitz  Außenkammern Bautzen  Zivilabteilung

 BESCHLUSS

5 O 295/15
In dem Rechtsstreit

Dr. Karin Roßmann, Bautzner Straße 76, 01917 Kamenz

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Kälberer & Tittel, Knesebeckstraße 59-61, 10719 Berlin, Gz.: 888/14 IE54

gegen

Oldenburgische Landesbank AG, Stau 15/17, 26122 Oldenburg
vertr.d.d.Vorstand Patrick Tessmann, Dr. Thomas Bretzger, Karin Katerbau, Hilger Koenig

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

Dr. Koch Rechtsanwälte und Notare, Bahnhofstraße 8, 26122 Oldenburg, Gz.: 1192/15-04-Z

wegen Forderung

erlässt die 5. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz durch

Richterin am Landgericht Dr. Wörz als Einzelrichterin

am 21.03.2016

nachfolgende Entscheidung:

A.

Es wird auf Antrag der Antragstellerin folgender Musterverfahrensantrag im Bundesanzeiger unter der Rubrik „Klageregister nach Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz“ (Klageregister) öffentlich bekannt gemacht:

I.

Beklagte:

Oldenburgische Landesbank AG, vertr. d. d. Vorstand Patrick Tessmann, Dr. Thomas Bretzger, Karin Katerbau, Hilger Koenig, Stau 15/17, 26122 Oldenburg

II.

Bezeichnung des von dem Musterverfahrensantrag betroffenen Emittenten von Wertpapieren oder Anbieters von sonstigen Vermögensanlagen:
IVG EuroSelect Zwölf GmbH & Co. KG

III.

Bezeichnung des Prozessgerichts:
Landgericht Görlitz – Außenkammer Bautzen

IV.

Aktenzeichen des Prozessgerichts:
5 O 295/15

V.

Feststellungsziele des Musterverfahrensantrags:

1. Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt über die Beteiligung an der IVG Euro Select Zwölf GmbH & Co. KG in der Fassung vom 17.03.2006 (nachfolgend „Verkaufsprospekt“) unrichtig, irreführend und unvollständig ist, insbesondere wird festgestellt,

a) dass der Verkaufsprospekt die Risiken und Besonderheiten der Swapgeschäfte des Fonds unrichtig, irreführend und verharmlosend darstellt und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,

b) dass der Verkaufsprospekt die wirtschaftlichen Grunddaten der Immobilie wie Miethöhen und Mietsteigerungen aufgrund von Auswirkungen der Upwards-Only-Klausel unrichtig, irreführend und die damit verbundenen Risiken verharmlosend darstellt und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,

c) dass der Prospekt die wesentlichen Merkmale der sog. Loan-to-Value-Klausel fehlerhaft und unzureichend darstellt und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,

d) dass der Verkaufsprospekt die durch geplante Neubauvorhaben von Büroflächen in demselben Marktsegment entstehende zusätzliche Konkurrenzsituation unrichtig, irreführend und verharmlosend darstellt und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,

e) dass der Verkaufsprospekt nicht darüber informiert, dass im englischen Recht grundbuchrechtlich besicherte Immobilien von der Kreditbank freihändig ohne Versteigerungsverfahren nach Fälligstellung des Kredites verkauft werden können und damit die Risiken eines Zwangsverkaufes unrichtig, irreführend und verharmlosend darstellt und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,

f) dass der Verkaufsprospekt nur unzureichend die Weichkosten der Gesamtinvestition, insbesondere im Verhältnis zum vom Anleger eingezahlten Kapital darstellt und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,

g) dass der Verkaufsprospekt unzureichende Angaben zum Verkäufer der Fondsimmobilie beinhaltet und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,

h) dass der Verkaufsprospekt unzureichende und irreführende Angaben zur Auszahlung des Abfindungsguthabens im Falle einer ordentlichen Kündigung enthält und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,

i) dass der Verkaufsprospekt die gesellschaftlichen Verflechtungen zwischen Treuhänderin Wert-Konzept Immobilienfonds Verwaltungsgesellschaft mbH und dem Emissionshaus, der IVG Immobilien AG nicht ordnungsgemäß darstellt, sondern sogar falsch und irreführend mitteilt, dass es keine personellen Verflechtungen gebe, die Interessenkonflikte begründen könnten und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,

2. Es wird festgestellt, dass die unter Ziff. 1. a) – 1. i) aufgeführten Prospektmängel jeweils für die Musterbeklagte bei der gebotenen sachkundigen Prüfung mit banküblicher Sorgfalt erkennbar waren.

3. Es wird festgestellt, dass die unter Ziff. 1. a) – 1. i) aufgeführten Prospektmängel jeweils für die Musterbeklagten auch im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung des Prospekts erkennbar waren.

4. Es wird festgestellt, dass die Geschäftsberichte und Rundschreiben von 2006 bis 2013 keine hinreichenden Informationen über die unter Ziff. 1. a) – 1. i) aufgeführten Prospektmängel enthalten, so dass diese Geschäftsberichte allein keine für einen Verjährungsbeginn notwendige Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis herbeiführen können.

5. Es wird festgestellt, dass zu vermuten ist, dass die unter Ziff. 1. a) – 1. i) dargestellten Prospektmängel jeweils kausal für die Zeichnungen von Anlegern sind, auch wenn ein Prospekt zu spät oder gar nicht an den Anleger übergeben wurde.

VI.

Knappe Darstellung des Lebenssachverhaltes:

Die Musterklägerin macht mit ihrer auf eine Haftung der beklagten Bank wegen fehlerhafter Anlageberatung gestützten Schadensersatzklage geltend, bei ihrer Anlageentscheidung im Rahmen eines auf der Grundlage des Verkaufsprospektes „60 London Wall“, den die IVG Immobilien Fonds GmbH unter dem 17.03.2006 herausgegeben hat, geführten Beratungsgesprächs durch fehlerhafte und unvollständige Angaben zum Kauf einer Beteiligung veranlasst worden zu sein. Der ihr erst nach der Zeichnung ihres Beitritts übersandte Verkaufsprospekt habe als maßgebliche Informationsquelle die Darstellung der Anlage durch den Berater der Dresdner Bank, deren Rechtsnachfolger die beklagte Bank durch Übernahme der Geschäftsverbindung mit der Klägerin, auf der Grundlage des Verschmelzungsvertrages der Dresdner Bank AG und der Commerzbank AG und Übertragung auf die Allianz Bank und dann auf die beklagte Bank wurde, als vorteilhaft und sicher mit guten Renditen wesentlich beeinflusst. Die von ihr als fehlerhaft gerügten Prospektinhalte seien nicht korrekt. Bei richtiger Darstellung der von ihr einzeln aufgeführten Punkte hätte sie die Beteiligung nicht gezeichnet. Der Vorgängerbank hätte die Unrichtigkeit des Verkaufsprospektes bei einer gebotenen sachkundigen Prüfung mit banküblicher Sorgfalt wie auch im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung erkennbar sein müssen. Neben der individuellen Fehlberatung hafte die Bank auch deshalb, weil sie sich den fehlerhaften Prospekt zu eigen gemacht habe. Der Prospekt sei nicht nur Grundlage des Beratungsgesprächs gewesen, sondern nötiger Bestandteil einer jeden Zeichnung.

Die beklagte Bank tritt der Darstellung entgegen. Sie sei bereits nicht Rechtsnachfolger. Die Klägerin sei anleger- und anlagegerecht beraten worden; dabei sei sie über alle relevanten Risiken aufgeklärt worden. Soweit die Klägerin die nicht rechtzeitige Übergabe rüge, seien Prospektfehler für die Anlageentscheidung der Klägerin nicht kausal geworden. Ein Verschulden läge nicht vor. Ohnedies sei zwischenzeitlich Verjährung eingetreten.

VII.

Zeitpunkt des Eingangs des Musterverfahrensantrags beim Prozessgericht:
21.07.2015.

B.

Im Übrigen wird der Musterverfahrensantrag der Musterklägerin als unzulässig zurückgewiesen.

Die Musterklägerin hat darüber hinaus beantragt, folgende Feststellungen zu treffen:

2. Es wird festgestellt, dass ab dem 01.09.2006 eine Prospektnachtragspflicht bestand, da der Verkaufsprospekt nicht darüber informiert, dass sich im Zeitraum vom 01.01.2006 bis zum 01.09.2006 die anstehenden Neubauprojekte im sogenannten spekulativen Bereich (ohne vorherigen feststehenden Mieter) verdoppelt haben und zudem ohnehin schon Flächen von ca. 13 Mio. sqft. leerstanden und der Prospekt somit spätestens ab dem 01.09.2006 unrichtig und irreführend wurde.

3. Es wird festgestellt, dass die unter Ziff. 1. a) – 1. i) und Ziff. 2. aufgeführten Prospektmängel jeweils für die Musterbeklagte bei der gebotenen sachkundigen Prüfung mit banküblicher Sorgfalt erkennbar waren bzw. der Musterbeklagten PFM als Gründungskommanditistin bekannt war.

5. Es wird festgestellt, dass der Musterbeklagten die Darlegungs- und Beweislast dafür obliegt, dass die unter Ziff. 1. a) – 1. i) und Ziff. 2. aufgeführten Prospektmängel richtig dargestellt wurden.

Insoweit sind die beantragten Feststellungen nicht entscheidungserheblich (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG). Das Feststellungsziel muss eine konkrete Verknüpfung zum Sachverhalt des Ausgangsverfahrens aufweisen und potentiell entscheidungserheblich sein, d. h. der Ausgang des Rechtsstreits muss von der begehrten Feststellung abhängen können, wobei nicht notwendig ist, dass es für die Entscheidung (nur) noch auf die Klärung des Feststellungszieles ankommt.

Zu 2.
Die Zeichnung durch die Antragstellerin erfolgte bereits am 31.07.2006. Das Feststellungsbegehren, dass ab dem 01.09.2006 eine Prospektnachtragspflicht bestand, hat auf die streitige Entscheidung keine Auswirkung.

Zu 3.
Maßgeblich ist die bankübliche Sorgfalt der beklagten Bank.

Zu 5.
Weder die Antragstellerin noch die Antragsgegnerin behaupten eine Richtigstellung von Prospektangaben. Die Parteien streiten darüber, ob die Angaben im Prospekt das Beratungsgespräch beeinflusst haben. Zudem ist nicht erkennbar und zu erwarten, dass die Darlegungs- und Beweislast bei Korrektur etwaiger falscher schriftlicher Angaben streitig werden könnte.

Die weiteren Voraussetzungen für eine Veröffentlichung im Klageregister gemäß § 3 Abs. 2, S. 1 KapMuG sind gegeben.

Dr. Wörz
Richterin am Landgericht